14.10.2022 — Autor: Julia Nostitz

Expertinnenartikel „(Hin-)Hören als Kulturgut“

Kathrin Rieger

Lernen, Feedback auszuhalten – (Hin-)Hören als Kulturgut

Gute Führungskräfte wissen um die Relevanz und das große Potenzial einer gesunden (Führungs-)Feedbackkultur, denn neben Wertschätzung und Förderung prägt diese die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden. De facto ist eine positive Feedbackkultur eine wichtige Dimension der Arbeitgebendenattraktivität. Führungskräfte, die ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung mithilfe ihrer Mitarbeitenden reflektieren, erhalten wertvolle Impulse, um ihr Führungsverhalten und die Zusammenarbeit weiterzuentwickeln. Davon profitiert nicht nur die Führungskraft selbst, sondern auch die Gruppe, das Team und die gesamte Organisation. Der Schlüssel einer gesunden Feedbackkultur? Zuhören. Es ist so einfach – oder nicht?

Mitarbeitende, die von ihren Führungskräften gehört werden, fühlen sich gesehen und wertgeschätzt. Das zahlt unmittelbar auf deren Zufriedenheit und damit auf ihre Motivation ein, was sich wiederum positiv auf ihre Bindung zur Organisation auswirkt. Entsprechend schlüssig ist es, dass das Führungsfeedback im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden wirklich zuhören und ein Feedback konstruktiv aufnehmen, erhalten Informationen und Signale, die sehr wesentlich zur Reflektion ihres Führungsverhaltens beitragen und damit die Chance auf Weiterentwicklung und Lernen eröffnen.

Abb1_Feeback_vs_Beurteilung_Tabelle

Gehen wir einmal einen Schritt zurück: Woher kommt eigentlich das Wort Feedback? „Feedback“ stammt aus dem Englischen und bedeutet Rückkopplung, Rückmeldung. Das Verb „to feed“, also füttern, bildet dabei den Wortstamm und wird durch „back“ – Englisch für zurück oder rückwärts – ergänzt. Das ist doch sehr spannend, oder? Im Grunde genommen versorgt jemand jemanden mit etwas. Dabei geht es in erster Linie um Nahrung, also etwas Existenzielles. Jemandem eine Rückmeldung zu geben, ist zwar nicht (über-)lebenswichtig, aber durchaus essenziell und das sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Neben einer Erläuterung, die sich auf das Wort Feedback im wissenschaftlichen Zusammenhang der Kybernetik bezieht, steht im Duden folgende Definition für Feedback: „Reaktion, die jemandem anzeigt, dass ein bestimmtes Verhalten, eine Äußerung o. Ä. vom Kommunikationspartner verstanden wird [und zu einer bestimmten Verhaltensweise oder -änderung geführt hat]“ (Quelle: duden.de/rechtschreibung/Feedback#herkunft; 01.03.2023). Hier sind mehrere wesentliche Informationen enthalten: Zum einen hängt Feedback mit Kommunikation zusammen. Zum anderen ist es eine Re-Aktion auf eine Aktion.

Von der Wortherkunft und der Definition per se ist es nicht weit bis zur Bedeutung. Was also ist ein Feedback genau? Viele Menschen kennen die Beurteilung; die Führungskraft beurteilt ihre Mitarbeitenden. Das geschieht also meist von oben nach unten und nach klaren (Verhaltens-)Kriterien. Die Beurteilung ist eine verbindliche Leistungsbewertung. Diese kennen wir bereits aus der Schule: Eine Leistung wird in einer Ziffer oder einer Punktzahl ausgedrückt. Sie bemisst sich dabei ebenfalls an Kriterien. Das hat jedoch nichts mit dem Feedback im Berufskontext zu tun. Echtes Feedback geschieht auf Augenhöhe: Die Feedback-Gebenden beschreiben, wie sie ein bestimmtes Verhalten und/oder eine Leistung wahrnehmen und die Feedback-Nehmenden leiten daraus für sich ganz persönliche Handlungsoptionen ab. Das bedeutet, Feedback ist keine Bewertung, kein Richtig oder Falsch, kein Gut oder Schlecht. Feedback ist im Allgemeinen vielmehr eine sehr genaue Rückmeldung zu einem beobachtbaren Verhalten. Das Führungsfeedback im Speziellen ist der Spiegel für Führung und Zusammenhalt in einer Organisation.

Führungsfeedback – warum?

Der strukturierte Austausch zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitenden gewinnt zurecht zunehmend an Bedeutung, denn Führungsfeedback spornt an, birgt große Potenziale und liefert wertvolle Informationen, um als Team und als Organisation weiterzuwachsen. Für Führungskräfte ist die Chance, dass sich die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren und daraus abzuleiten, was man künftig beibehalten und was man noch besser oder anders machen kann, unerlässlich, um zu wachsen. Zu wissen, wie man mit bestimmten Verhaltensweisen und Haltungen bei den Mitarbeitenden ankommt, ist essenziell, um daraus persönliche Schlüsse ziehen zu können, die im Umkehrschluss unmittelbaren Einfluss auf die Zusammenarbeit und damit Leistung des gesamten Teams haben.

Für das Team ist das Führungsfeedback ein Vertrauensbeweis, da der Dialog zwischen ihm und der Führungskraft gefördert wird. Gleichzeitig lernen die Mitarbeitenden, einander gut und besser zuzuhören. Sie lernen, sich gegenseitig fair Feedback zu geben und auch Feedback anzunehmen. Durch das Führungsfeedback können Verbesserungspotenziale im Team aufgespürt und es können konkrete Vereinbarungen getroffen werden, an welchen Stellschrauben man gemeinsam drehen möchte. Das Führungsfeedback bietet die Möglichkeit, in die Zukunft zu denken und etwas anhand ganz konkreter Vereinbarungen zum Besseren zu entwickeln. Es bietet die Chance, sich der eigenen Stärken bewusster zu werden, indem man sich fragt: „Worauf können wir stolz sein?“ Die Antwort darauf zahlt auf das gemeinsame Werteverständnis ein. Daran schließt sich die Frage an: „Welche Verbindlichkeiten wollen wir treffen, um unsere Stärken weiter auszubauen?“ Als Team gilt es, nicht nur an dem anzusetzen, was man verbessern möchte, sondern auch daran, was man sich auch in der Zukunft bewahren möchte. Ein gutes Feedback mündet in Erhaltungszielen und beantwortet damit die Fragen „Was wollen wir bewahren/erhalten – in der Zukunft und gleichermaßen in Veränderungszielen?“ und damit „Was wollen wir künftig anders, besser oder auch nicht mehr tun?“

Der Gesamtorganisation bietet Feedback die Chance, eine Organisationskultur zu entwickeln, die ein offenes, wertschätzendes, konstruktives Miteinander ebenso fördert wie das Erreichen der konkreten Ziele und guter Arbeitsergebnisse, also auch den Erfolg der Arbeit. Bei ZAROF. haben wir in den vergangenen 15 Jahren über 20 große Feedbackverfahren im öffentlichen Dienst durchgeführt – mit von 50 bis 300 Führungskräften. Nach Abschluss des Prozesses erreichten uns jedes Mal zahlreiche Stimmen wie diese:

  • „Der Vergleich von Selbstbild und Fremdbild war teilweise schmerzhaft für mich, aber ohne Frage aufschlussreich und letztlich hilfreich“,
  • „Vorher hatte ich meine Bedenken, aber das Feedback, das ich bekommen habe, macht mich sehr stolz“,
  • „Jetzt weiß ich, woran ich arbeiten kann“,
  • „Ich hätte nicht gedacht, dass wir so konkrete Vereinbarungen treffen können.“

Derartige Rückmeldungen bestätigen uns nicht nur in unserer Arbeit, sondern auch den großen Mehrwert, den das Führungsfeedback bietet – sei es auf der individuellen Ebene, der Gruppenebene oder der Organisationsebene.

Natürlich ist nicht jedes Feedback gleich. In der Theorie unterscheidet man in das motivierende Feedback und das entwicklungsorientierte Feedback. Das motivierende Feedback baut Selbstvertrauen auf, aus dem Erhaltungsziele abgeleitet waren. Es geht also um die bereits angesprochene Frage „Was wollen wir bewahren?“ Das entwicklungsorientierte Feedback auf der anderen Seite baut Kompetenz auf Entwicklungsziele auf. Das heißt, hier geht es um die Themen, die man in der Zukunft verändern oder auch entwickeln möchte. Trotz Differenzierung schließen beide Feedbackarten einander nicht aus; sie können als gegenseitige Ergänzung betrachtet werden. In jedem Führungsverhalten gibt es sowohl sehr viel Erhaltungspotenzial als auch eine Menge Entwicklungspotenzial. In der Regel sollten sich beide Dimensionen die Waage halten, sodass aus dem Etwas-Bewahren und -Weiterführen und Etwas-Verändern eine gute Balance entsteht.

Abb2_3_W

Das 3-W-Modell

Neben den zwei Feedbackarten lohnt sich der Blick auf die drei W, die beschreiben, wie man gekonnt Feedback geben kann. Das erste W steht für Wahrnehmung. Hier sind die wichtigen Fragen „Was habe ich wahrgenommen?“, „Was ist mir aufgefallen?“, „Was habe ich beobachtet, gesehen, gemerkt?“ Es geht hier keinesfalls um die Frage, wie man etwas beurteilt oder einschätzt, da das Wahrnehmungs-W ausschließlich auf der Sachebene stattfinden sollte. Es gilt, die Wahrnehmung sachlich ohne emotionale Betroffenheit oder Bewertung zurückzuspiegeln.

Das zweite W steht für Wirkung. Fragen dazu sind „Wie hat das auf mich gewirkt?“, „Welche Gefühle hat es bei mir ausgelöst?“ Hier sind die Ich-Botschaften und die Emotionen gefragt, welche Wirkung ein bestimmtes Verhalten auf mich als Feedback-Empfangenden hat. Du-Botschaften sollten zwingend vermieden werden.

Das dritte W steht für Wunsch; „Was sollten Sie / solltest du beibehalten, anders oder besser machen?“, Was empfehle ich Ihnen/dir zu tun?“ und „Was wünsche ich mir für unsere zukünftige Zusammenarbeit?“ Hinter diesen Fragen steckt der Appell in der Kommunikation: „Was erwarte ich mir“, „Was wünsche ich mir?“ Mittels dieser Fragen kann das Feedback sehr konstruktiv erfolgen.

Je nachdem, mit welchem Persönlichkeitstyp man es zu tun hat, werden die Fragen besser oder schlechter gehört. Personen, die auf der Sachebene sehr gut hören, werden am meisten mit Wahrnehmungen, also den Beobachtungen arbeiten können. Für emotionale Menschen sind Ich-Botschaften am greifbarsten und für all jene, die eher nach vorne denken, ist die Appellebene die wichtigste, um beantworten zu können, was in der Zukunft verändert werden soll. Doch dazu später mehr.

Feedback anzunehmen, muss entwickelt und gelernt werden. Im Arbeitsalltag gibt es sehr verschiedene typische Reaktionen auf Feedback. Diese sind: 

  • Leugnen: „Ich doch nicht!“, „Das war ich nicht!“,
  • Emotionen: „Wie kann man mir das antun?“,
  • Erklärungen: „Mag sein, aber …“,
  • Akzeptanz: „Okay, an dem, was Sie sagen / du sagst, ist etwas Wahres dran.“ und
  • Veränderung: „Danke, jetzt weiß ich, wie ich vorgehen und was ich verändern kann.“

Letztlich sind alle Reaktionen menschlich – dazu gehört auch, etwas zu leugnen oder emotional zu reagieren – jedoch sollten Akzeptanz und Veränderung im Mittelpunkt der Reaktion stehen. Diese können gelingen, indem man erkennt, dass Feedback ein Geschenk ist. Der Feedback-Gebende hat sich viele Gedanken zum Feedback-Empfangenden gemacht und reflektiert, wie dessen Verhalten wirkt. Nun gilt es, offen das zu akzeptieren, was jemand sagt und eine Veränderung anzustreben.

Tabelle_Feedback

Feedback-Geben und Feedback-Nehmen

Feedback sollte immer möglichst zeitnah und persönlich gegeben werden. Den meisten Menschen fällt es schwer, sich zu erinnern, was vor einem halben Jahr oder einem ganzen Jahr passiert ist, also sollte das Feedback-Geben möglichst zeitnah passieren. Zudem sollte es ein Verhalten und eine Beobachtung reflektieren und vor allem Ich-Botschaften enthalten. Des Weiteren sollte es rein beschreibend und auf keinen Fall wertend sein. 

Für diejenigen, die das Feedback empfangen, ist es essenziell, aktiv zuzuhören. Wichtig ist auch, sich, wenn nötig, eine sogenannte Verständnisquittung einzuholen. Damit kann man sicherstellen, dass man das verstanden hat, was der Feedback-Gebende gemeint hat. Wenn dem nicht so ist, ist es vorteilhaft, nachzufragen und sich Beispiele geben zu lassen. Diejenige Person, die Feedback empfängt, sollte sich nicht rechtfertigen, sondern das Gesagte annehmen und versuchen, es durch aktives Zuhören und Nachfragen zu verstehen. Bestenfalls kann man das Feedback als Geschenk betrachten und sich im Gegenzug dafür bedanken.

Tabelle: Tipps zum Feedback-Geben und Feedback-Nehmen

Abb3_Nachrichtenquadrat_Schulz_von_Thun

Gut zuhören, aber wie?

Das Nachrichtenquadrat des deutschen Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun ist eins der bekanntesten Kommunikationsmodelle. Es kann dabei helfen, unsere Art zu kommunizieren, zu verstehen und zu verbessern. In seinem Modell konstatiert Schulz von Thun, dass jede Nachricht vier Seiten hat; jede Äußerung hat vier Botschaften gleichzeitig. Eine Nachricht enthält zum einen eine Sachebene. Diese liefert Informationen zu Sachverhalten. Eine weitere Ebene ist die Selbstoffenbarung, in der jemand etwas von sich preis- und zu erkennen gibt. Hier differenziert man in drei Kriterien: Die Informationen sind wahr oder unwahr, relevant oder irrelevant und hinlänglich oder unzureichend. Der Beziehungshinweis informiert darüber, wie der/die Sender*in zum/zur Empfänger*in steht. Er gibt Aufschluss darüber, wie der/die Sender*in den/die Empfänger*in wahrnimmt. Der Appell verrät, was der/die Sender*in beim Gegenüber erreichen möchte.

Abbildung: Nachrichtenquadrat von Friedemann Schulz von Thun (Quelle: schulz-von-thun.de; 01.03.2023)

Indem wir uns bewusst sind, welche Ebenen und Elemente in unserer Kommunikation vorhanden sind, können wir unsere Botschaften als Sender*innen klarer und effektiver formulieren. Als Empfänger*innen können wir mit dem Wissen darum, dass eine Nachricht sowohl verbale als auch nonverbale Botschaften enthält, den/die Sender*in besser verstehen. Schulz von Thuns Nachrichtenquadrat kann beim Perspektivenwechsel – in beide Richtungen – unterstützen, um Missverständnisse zu vermeiden und die Kommunikation erleichtern. Das Vier-Ohren-Prinzip ist ein entscheidender Faktor beim guten Zuhören und so auch beim Feedback-Nehmen. Durch das Entschlüsseln des Feedbacks entsprechend der Ebenen kann es gelingen, eine Nachricht möglichst vollständig zu decodieren. Sich darin zu üben, ist eine der wichtigsten Herausforderungen für alle, die gut zuhören möchten.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass, wie bereits kurz angesprochen, unterschiedliche Persönlichkeiten unterschiedlich hören. Das sogenannte DISG-Modell kann hierbei für Verständnis sorgen. Es basiert auf einer Persönlichkeitstheorie des US-amerikanischen Psychologen William Moulton Marston. Marston unterschied in vier grundlegende Verhaltensstile: dominant, initiativ, stetig und gewissenhaft (Dominance, Inducement, Submission und Compliance).

Abb4_DISG-Modell_Marston

Die initiativen Personen – Kommunikator*innen – hören vor allem die emotionale Ebene. Sie hören die Beziehungs- und die Selbstoffenbarungsebene besonders gut und weniger die Sachebene. Stetige Personen – Beziehungstypen – sind solche, die einfühlsam und kooperativ sind, und dementsprechend die Beziehungsebene sehr gut hören. Diese Personen hören zusätzlich auf der Appellebene sehr gut zu; „Wie steht jemand zu mir?“, „In welcher Beziehung stehen wir zueinander?“ und „Was soll ich tun?“ Gewissenhafte Personen – Analytiker*innen – sind sehr sachlich orientierte Menschen. Sie haben eine Affinität für die Sachebene und auch für die Appellebene. Emotionale Rückmeldungen und viele Ich-Botschaften irritieren Analytiker*innen. Dominante Personen – Macher*innen – sind ebenfalls sachlich orientierte Menschen. Sie hören eher auf dem Sach-Ohr gut. Macher*innen sind „ZDF-Menschen“. Zahlen, Daten, Fakten sind das, was sie interessieren – genau wie die Antwort auf die Frage „Wo geht die Reise hin?“ Macher*innen hören weniger gut auf der Beziehungsebene.

Ist man sich der verschiedenen Persönlichkeitstypen bewusst, kann man in der Kommunikation allgemein und im Zuhören im Speziellen davon ausgehen, dass unterschiedliche Persönlichkeiten auch unterschiedlich hören (und unterschiedlich kommunizieren). Dies ist im Feedback deshalb so wichtig, weil man sich durch diese Erkenntnis besser auf den anderen Menschen einstellen kann und so kommuniziert, dass das, was gesendet wird, auch wirklich ankommt und nicht aneinander vorbei kommuniziert wird.

Abbildung: Nachrichtenquadrat von Friedemann Schulz von Thun (Quelle: schulz-von-thun.de; 01.03.2023)

Hören und (aktives) Zuhören

  • Hören ist die ungefilterte Aufnahme akustischer Signale.
  • Hinhören ist die selektive Aufnahme bestimmter akustischer Signale.
  • Beim Zuhören versucht man, das tatsächlich Gesagte und den/die Gesprächspartner*in zu verstehen.
  • Selektives Zuhören bedeutet, dass der/die Empfänger*in nicht alles, sondern nur bestimmte, subjektiv interessante Themen oder Informationen hört.
  • Aufmerksames Zuhören erkennt man durch Aufmerksamkeitsreaktionen (interessierter Gesichtsausdruck, Bestätigungslaute „mhmm“, „aha“ …).
  • Aktives Zuhören ist ein komplexer Prozess, der unter anderem aus den Schritten Informationsaufnahme, Verständnisprüfung und Ermunterung zum Weiterreden besteht.
Abb5_Ebenen_aktives_Zuhören

Das aktive Zuhören gliedert sich in drei Ebenen, die teilweise an Schulz von Thuns Nachrichtenquadrat erinnern. Die erste Stufe im aktiven Zuhören ist die Sachebene, auf der das Wahrgenommene zurückgemeldet wird, z. B.: „Verstehe ich es richtig, dass …“ Auf der zweiten Stufe – der emotionalen Ebene beim Zuhören – werden Ich-Botschaften gespiegelt; „Bei mir kommt an, dass …“ Die dritte Ebene ist die Appellebene. Auf dieser fragt man sich, welche Lösung der/die Sender*in favorisieren würde und/oder was als Nächstes zu tun ist. Beim aktiven Zuhören ist es wichtig, grundsätzlich alle drei Stufen zu berücksichtigen.

Abb6_Hörfehler

Wahrnehmungseffekte und andere Stolperfallen beim Zuhören

Was ein Mensch vom Gesagten wahrnimmt und was er hört, hängt sehr stark davon ab, wie der Mensch hört. Dies wird, wie bereits erörtert, stark durch die Persönlichkeit beeinflusst. Es gibt jedoch noch weitere relevante Einflussfaktoren, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Es geht um die Filter die Wahrnehmung. Jede Wahrnehmung – Gehörtes, Gesehenes und Erlebtes – wird durch die eigene Interpretation gefiltert. Das beginnt bereits mit unseren Sinneswahrnehmungen: VAKOG – visuell (Sehen), auditiv (Hören), kinästhetisch (Fühlen), olfaktorisch (Riechen) und gustatorisch (Schmecken). Die eigenen Werte, Erfahrungen, Erinnerungen, Glaubenssätze und die Persönlichkeitsstruktur sind der zweite Filter, der die Art, wie etwas aufgenommen wird, beeinflusst. Wichtig ist, sich die Existenz dieser Filter bewusst zu machen.

Die Filter der Wahrnehmung sind ein erster Indikator, dass Wahrnehmung nicht frei von individuellen Interpretationen ist. Es gibt jedoch noch weitere Stolpersteine und Störungen, denn die Subjektivität der Wahrnehmung verleitet zu Hör- und damit zu Beurteilungsfehlern. Diese können großen Einfluss auf Kommunikation → ein Feedback → das Hören haben. Der Bestätigungseffekt beschreibt, dass wir nur das hören, was unsere eigenen Einschätzungen auch bestätigt. Dabei werden all jene Informationen und Argumente, die nicht der eigenen Wahrnehmung entsprechen, unbewusst ausgeblendet. Der Ankereffekt sagt, dass einmal Gehörtes einen starken Einfluss auf alles hat, was darauffolgt. Des Weiteren unterliegen wir einem sogenannten Überstrahlungseffekt – auch Halo-Effekt – genannt. Hier schließen wir von einem einzigen Signal auf die Gesamtheit aller Signale, die uns erreichen. Wir können zudem einem Aktualitätseffekt unterliegen. Hier prägt das Frischgehörte die Gesamtheit dessen, was wir hören oder was wir hören wollen und stellt sie in den Schatten, es gerät also geradezu in Vergessenheit. Der Sympathieeffekt kennzeichnet die Tendenz, dass wir Menschen, die uns sympathisch sind, genauer zuhören als jenen, die uns weniger sympathisch sind. Hinzukommt, dass wir deren Feedback dankbarer und konstruktiver aufnehmen. Der Hierarchieeffekt meint, dass wir Menschen höherer Hierarchiestufen aufmerksamer zuhören als anderen. Hörfehler und Hörstörungen können wir nicht ausschließen, da sie unbewusst erfolgen. Wenn man jedoch weiß, dass es sie gibt, kann man das Gehörte besser reflektieren und auch besser einschätzen.

Neben den Hörfiltern und den Höreffekten gibt es auch persönlichkeitsbedingte Verzerrungen, die bei der Wahrnehmung eine Rolle spielen können. Nachsichtige Zuhörer*innen bevorzugen Harmonie und schauen großzügig über Kritik hinweg. Sie scheuen Diskussionen und ordnen deshalb Gehörtes eher positiv ein. Im DISG-Modell entsprechen diese Menschen am ehesten den Beziehungstypen; ihnen sind soziale Beziehungen besonders wichtig. Die ziel- und ergebnisorientierten Zuhörer*innen streben stark nach dem Idealzustand, weshalb sie sehr hohe Maßstäbe an sich und auch an andere legen. Sie hören zu, um vor allem Lösungen und Vereinbarungen für die Zukunft zu entwickeln und um besser zu werden. Diese Persönlichkeitstypen sind meistens Macher*innen und dominante Menschen. Sie sind sehr sachorientiert, haben aber auch ein sehr gutes Hörvermögen auf dem Appell-Ohr. Die vorsichtig-zurückhaltenden Zuhörer*innen möchten alles ganz genau und umfassend verstehen. Sie hören ausdauernd und sehr gewissenhaft zu und es fällt ihnen schwer, selbst ein Ergebnis zu definieren. Diese Menschen sind im DISG-Modell die gewissenhaften Persönlichkeiten, die sich davor scheuen, Entscheidungen zu treffen, da sie von dem Gedanken getrieben sind, dass es Weiteres zu berücksichtigen gibt, was sie noch nicht reflektiert haben.

Feedback auf- und anzunehmen, kann und sollte man lernen, denn es ist ein elementarer Baustein in der Mitarbeitendenführung und -bindung. Neben Akzeptanz, Respekt und aufrichtigem Interesse ist und bleibt der Schlüssel das aktive Zu-Hören. Nur wer zuhört, sieht die Veränderungspotenziale und kann sie nutzen – für sich persönlich, für das Team, für die Organisation.

9 Tipps für gutes Zuhören im Feedback

Seien Sie offen und unbefangen für das, was Sie hören. Werden Sie sich der Wahrnehmungsfehler und auch Ihrer Persönlichkeit bewusst; was hören Sie besonders gut und gerne und was nicht?

Schalten Sie nicht ab, wenn das, was Sie hören, nicht das ist, was Sie hören möchten, sondern hören Sie gerade dann besonders gut zu.

Hören Sie zu, um zu verstehen – nicht, um gleich zu antworten. Lassen Sie Pausen zu, um zu verstehen und das Gehörte „sacken zu lassen“.

Lassen Sie Ihr Gegenüber die Gedanken zu Ende bringen, unterbrechen Sie nicht.

Stellen Sie Verständnisfragen und holen Sie sich eine Verständnisquittung ein.

Stellen Sie sich auf die Persönlichkeit ein, der Sie zuhören. Seien Sie sich bewusst, dass es beispielsweise Persönlichkeitstypen gibt, die nicht so emotional und empathisch sind wie der Beziehungstyp.

Machen Sie sich bewusst, dass auch Ihre eigene Persönlichkeit Einfluss darauf hat, was und wie (gut) Sie hören.

Seien Sie sich bewusst, dass Sie durch subjektive Filter bestehend aus Vorurteilen, Sympathien und auch Antipathien hören. Seien Sie sich auch der Tatsache bewusst, dass das was Sie zu Beginn hören, nicht immer alle gesendeten Botschaften enthält.

Ziehen Sie im Sinne einer guten Hörkultur Grenzen, wenn alles gesagt ist. Oftmals – das kennt man aus Besprechungen – ist bereits alles gesagt, nur noch nicht von jedem.

fhövpr-Logo

Dieser Artikel erschien im Juli 2023 im Sonder-Backstein „In Führung gehen – interdisziplinäre Ansätze aus Wissenschaft und Praxis“ infolge der Fachtagung „Die Führungskraft eine proaktive Kulturentwicklerin!?“ (17. November 2022).

Der Backstein ist die Zeitschrift der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes Mecklenburg-Vorpommern (fhvopr).